"Backstage" - Momentaufnahmen aus dem Orchesteralltag (Foto: Stephan Böhnlein)

Aus halbvollen Sälen werden wieder volle Säle

 

Saarbrücker Zeitung | Freitag, der 9. September 2022


Von Tobias Kessler

Die Deutsche Radiophilharmonie (DRP) startet nach zwei schwierigen Corona-Jahren in ihre neue Saison. Der Vorverkauf läuft gut – aber das Saarbrücker Orchester muss ohne die Congresshalle auskommen.

Die gute Nachricht zur Saisoneröffnung: „Es gibt keinerlei Beschränkungen, weder im Saal noch für das Orchester“, sagt DRP-Managerin Maria Grätzel, „das Publikum kann einfach wieder zu uns kommen“. Die schlechte Nachricht: Die Congresshalle, heimischer Hauptkonzertort der Deutschen Radio Philharmonie, steht, anders als geplant, in der kompletten Spielzeit nicht zur Verfügung – die Sanierung wegen Brandschutz dauert länger als gedacht (wir berichteten). Und so muss das Rundfunkorchester mit acht Matinéen an Orte ausweichen, die allerdings bekannt und bewährt sind: das EWerk auf den Saarterrassen (zwei Matinéen) in Saarbrücken und die Alte Schmelz in St. Ingbert (sechs Matinéen).

Wären diese Ausweichorte schon besetzt gewesen, hätte das für die DRP-Konzerte schwierig werden können. Schon vor zwei Jahren habe sich Orchester-Managerin Grätzel, wie sie beim Pressetermin erklärt, Hallen im ganzen Saarland angesehen, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Technik, Tontechnik und der Orchesterproduktion, „um mal auszuloten, was es gibt. Schließlich ist es uns ein Anliegen, das Saarland mehr zu bespielen.“ Die Rundreise war ernüchternd, „alle Säle hatten ihre Grenzen“. Die alte Senderhalle von „Europe 1“ in Berus etwa „ist ein großartiges architektonisches Monument, das auch Platz hätte für große Sinfonik“. Aber man müsste eine neue Infrastruktur schaffen, und von der Akustik her habe der optisch reizvolle Saal seine Tücken. Auch die Saarlandhalle und die Hermann-Neuberger-Halle nahe der Saarbrücker Uni, die jüngst bei den Musikfestspielen Saar bespielt wurde, kämen für die DRP nicht in Frage. „Diese Hallen eignen sich für uns nicht.“

In die Zukunft gedacht, wäre möglichweise das geplante große Tagungs- und Kulturzentrum gegenüber der Congresshalle eine Möglichkeit. „Das muss man sich dann mal anschauen“, sagt Grätzel, „aber wir sind erstmal dankbar, wenn wir wieder in der Congresshalle spielen können, solange es keine wirklich gute Alternative gibt“. Für die plädiert noch einmal DRP-Chefdirigent Inkari Inkinen: die Idee einer Saarphilharmonie.

Von Zukunftsvisionen zurück in die Gegenwart, zur anstehenden Spielzeit. Die bewirbt die DRP mit dem Slogan „Immer LIVE dabei!“, unter anderem in Leuchtkästen und auf Plakaten an Bushaltestellen. „Wir wollten die DRP medial sichtbar machen“, sagt Grätzel, nach zwei schwierigen Spielzeiten wolle man jetzt „dem Publikum Mut zusprechen und die Begeisterung wecken“. Das scheint zu gelingen, denn der Kartenverkauf seit zwei Wochen laufe gut. „Aus halbvollen Sälen werden wieder volle Säle“, sagt Anne Dunkel, verantwortlich für die Pressearbeit bei der DRP. „Die Auslastung der ersten Konzerte liegt bei 80 Prozent.“ In den vergangenen zwei Jahren hat die DRP die Abos ruhen lassen, jetzt kann man sie wieder erstehen; bislang lägen die Zahlen, sagt Dunkel, noch zwischen zehn und 30 Prozent unter der Zeit vor Corona, je nach Konzertsparte. Grätzel schätzt, dass das Wegfallen der Congresshalle, „für viele ein bekannter, geschätzter Ort“, der DRP einige Abos gekostet hat. „Manche warten, bis Konzerte wieder dort stattfinden können.“

Während so gut wie alles teurer wird, sind die DRP-Konzertkarten in dieser Saison auf altem Stand, „ein wichtiges Signal“, wie Grätzel findet, in Zeiten, in denen „Menschen gespannt auf ihre Heizkostenabrechnung am Jahresende warten“. Zu den Ausweichorten E-Werk und Alte Schmelz wird es einen Shuttle- Service geben, der immer an der Congresshalle startet; er kostet pro Konzert fünf Euro und kann schon beim Kaufen der Konzertkarte mitgebucht werden.

Chefdirigent Inkinen probt seit Montag wieder mit der DRP und freut sich, „dass es endlich, endlich wieder los geht“. Er hofft jetzt auf eine Spielzeit, seine sechste in Saarbrücken, „hoffentlich ohne Störungen“. Die Pandemie hat den Finnen nicht nur am DRP-Pult getroffen, sondern auch in Bayreuth – und das gleich zwei Mal. Dort sollte er 2021 bei den Wagner-Festspielen den „Ring“ dirigieren, der dann coronahalber auf 2022 verschoben wurde. Doch als es im Juli dieses Jahres fast soweit war, erkrankte Inkinen schwer an Corona und musste die musikalische Leitung an Cornelius Meister, Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, abgeben. „Es war alles sehr traurig“, sagt Inkinen, aber 2023 geht es für ihn wieder auf den Grünen Hügel. „Zum Glück wird in Bayreuth eine neue Produktion mehrere Jahre gespielt.“ Mitte 2023 beginnen die Proben mit ihm in Bayreuth. „Ich freue mich sehr darauf, endlich meine musikalischen Gedanken zu präsentieren – meine Version des ‚Ring‘.“


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